Stadt, Land, Klima

Warum die Stadt eine Klimaschützerin ist

New York

Den kurzen Arbeitsweg auf dem Fahrrad oder mit den Öffis zurücklegen, Supermärkte, Post und Apotheke gemütlich zu Fuß erreichen und abends spontan ins Kino oder mit Freunden treffen – all diese Vorteile bietet die Stadt. Hier lebt es sich sozial und ressourcenschonend, so der Klimaökonom Gernot Wagner. Als schlechtes Gegenbeispiel dazu nennt er die Vororte. Was ist so schlimm am „Speckgürtel“, und was ist mit dem Land?

Mit seinem Buch „Stadt, Land, Klima“ schrieb Wagner einen Liebensbrief an die Stadt, einen ans Land, und einen ans Klima. Dieser Themenkomplex ist natürlich besonders spannend in Hinblick auf die LandStadt Vorarlberg, deshalb wollen wir hier einen Einblick in seine Arbeit präsentieren.

Wagner postuliert, dass der Ausweg aus der Klimakrise durch die Stadt führt

Das durchschnittliche Stadtleben ist in vielerlei Hinsicht nachhaltiger als ein Leben in der Vorstadt. Und das liegt maßgeblich an der Dichte und Effizienz von Städten. Kurze Wege im Alltag, gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen wie beispielsweise Spielplätze, öffentliche Verkehrsmittel oder Waschsalons, und weniger Wohnfläche pro Kopf sind Schlüsselfaktoren für die Reduktion von CO2-Emissionen. Stadt heißt natürlich nicht unbedingt, ohne Auto leben zu müssen. Es geht vielmehr darum, die Möglichkeit dazu zu haben. Es geht um die Möglichkeit nach persönlichen Präferenzen und individuellen Prioritäten sein Leben effizient und nachhaltig gestalten zu können, ohne wirklich auf etwas verzichten zu müssen. Die großen Vorteile sind nicht nur ein Energie- und Flächeneffizienteres Leben, sondern auch deutlich geringere Pendlerzeiten, eine große Auswahl an Freizeitangeboten und damit einhergehend eine sehr hohe Lebensqualität für einen vergleichsweise sehr niedrigen Aufwand. Dadurch bleibt mehr Zeit für Familie, Freunde und Hobbies. Auch das Sozialleben in der Stadt sei eine Frage der Einstellung, so Wagner. Kinder spielen in der Stadt öfter gemeinsam am öffentlichen Spielplatz, anstatt auf dem eigenen Klettergerüst im abgegrenzten Garten, oder sie baden im Freibad statt im privaten Pool. Während zurzeit der Trend des Cocoonings vielerorts erkennbar ist und die Problematik der Einsamkeit auf politischen Agenden weltweit nach oben rückt, kann ein gutes soziales Netzwerk dem entgegenwirken. Die Stadt ist nicht nur eine Klimaschützerin, sie schützt auch vor Vereinsamung.

„Stadt bedeutet mitunter, die Möglichkeit dazu zu haben.“
Gernot Wagner Klimaökonom

Natürlich ist die Lösung nicht, dass alle Menschen in Städten leben. Alleine zur Lebensmittelproduktion sind Landwirte essentiell, und auch kleine Dörfer werden weiterbestehen. Aber ein Großteil der Weltbevölkerung soll in Städten wohnen. Das Problem ist ja weder das Leben in urbanen Zentren, noch das Leben am Land. Das wirkliche Problem sind die Vororte. Das „Haus im Grünen“, das nicht wirklich im Grünen, sondern in Siedlungen am Stadtrand steht. „Das Leben im Vorort ist die Illusion, dass man im Prinzip alles haben kann“, sagt Wagner. Doch die Ruhe und der Platz haben ihren Preis: wertvolle Zeit, und nicht zuletzt Umweltzerstörung und Unmengen an Emissionen. Dieses Lebensmodell ist nicht mit den Klimazielen und einem guten Leben für alle vereinbar. Wir müssen der Natur wieder mehr Raum geben und sie Gebietsweise gänzlich in Ruhe lassen.

„Es geht also keinesfalls um Stadt gegen Land. Wirkliche Stadt macht das Land, die unberührte Natur, erst möglich.“
Gernot Wagner Klimaökonom
Central Park - NYC
Gernot Wagner

Gernot Wagner selbst lebt im Zentrum New Yorks. Ohne Führerschein, ohne Auto, in einer 70m² Wohnung gemeinsam mit seiner vierköpfigen Familie. Und das aus freier Entscheidung. Sie haben in vielen städtischen sowie ländlichen Gebieten in verschiedenen Wohnformen gelebt. Doch die beste Lebensqualität, so finden sie, bietet diese kleine urbane Wohnung. Der gebürtige Niederösterreicher kann sich durchaus vorstellen, wieder einmal umzuziehen, aber gewiss nicht in einen Vorort. Aus persönlichen Gründen, sowie aus der Notwendigkeit das Klima und die Umwelt zu schützen.

"Die wichtigste Entscheidung ist, wo und wie wir wohnen."
Gernot Wagner Klimaökonom

Die einen verwenden keine Plastiksackerl mehr, andere essen weniger Fleisch und fliegen seltener – gute Ansätze, die allerdings nicht reichen um die Klimakrise zu bewältigen. Wenn es um den Einfluss des eigenen Verhaltens auf die Umwelt und das Klima geht, so Wagner, ist die wahrscheinlich wichtigste Entscheidung wo und wie wir wohnen. Jedes Mal, wenn ein Acker in Bauland umgewidmet wird, werden Emissionen und Autofahrten in die Stadt für die nächsten Jahrzehnte fixiert. Zudem werden alleine in Österreich täglich 13 Hektar Boden verbaut. Diese Böden, die zurzeit Lebensraum sind, CO2 binden und den Wasserhaushalt steuern, werden unwiderruflich versiegelt und deren klimaregulierenden Eigenschaften zerstört. Massives Artensterben und eine Störung des lokalen Klimas sind die Folgen.

„Klimaschutz ist Regionalpolitik, Mobilitätspolitik, Forschungspolitik, Wirtschaftspolitik.“
Gernot Wagner Klimaökonom

Wagner kritisiert an dieser Stelle Förderungen wie den Bausparvertrag oder die Pendlerpauschale, welche Anreize zur Verbauung ländlicher Gegenden, zu immer größeren Häusern und zu immer weiteren Arbeitswegen geben. „Klimaschutz ist Regionalpolitik, Mobilitätspolitik, Forschungspolitik, Wirtschaftspolitik“, so Wagner. Es ist nicht nur eine persönliche, sondern auch eine politische Frage, die ressourcenintensive Zersiedelung einzudämmen. Deshalb die Forderung des Klimaökonomen: „Beginnen wir beim individuellen Handeln, sorgen wir aber vor allem für einen Systemwandel!“.

„Beginnen wir beim individuellen Handeln, sorgen wir aber vor allem für einen Systemwandel!“
Gernot Wagner Klimaökonom

CO2-Emissionen, die den Klimawandel bedingen, sind in vielerlei Hinsicht die ultimativste globale negative Externalität. Dem können Städte ihre ultimativ positiven Externalitäten entgegensetzten: ihre Netzwerkeffekte und Innovationspotentiale.

Und genau das ist auch ein zentraler Leitgedanke des LandStadt Projekts, welcher bereits auf der Startseite der Homepage alle BesucherInnen begrüßt: „Potential entfaltet sich, wenn es gute Verbindungen gibt.“

"Potential entfaltet sich, wenn es gute Verbindungen gibt."