Die Stadt als Anlass

DieStadtalsAnlass-Buch

Bei der Beschäftigung mit dem Phänomen LandStadt beschäftigt man sich auch immer mit dem der Stadt. Genauer gesagt kann man eine Region logischerweise nur als LandStadt wahrnehmen, wenn sie städtische Verhaltensweisen aufweist. Diese wiederum sind in der Regel mit dem jeweiligen Raum und der Nutzung desselben verbunden. Nutzungen, die im Idealfall nicht vordefiniert sind, die als Möglichkeitsräume oder dritte Orte funktionieren. In Feldkirch wurden in den letzten 10 Jahren verschiedenste Projekte initiiert, die sich mit genau dieser Nutzung des öffentlichen Raums beschäftigen. Erstmals wurden diese nun in einer Publikation zusammengefasst.

Jede Stadt ist einzigartig. Darum hat auch jede Stadt einen eigenen Namen. Fast wie eine Person. Jedenfalls mit eigenem Charakter. Und genauso wie persönliche Biographien immer eingebettet sind in ein fein gewobenes Beziehungsgeflecht, lebt auch die Stadt nicht nur mit den, sondern durch die Beziehungen, die sie tragen. Die Stadt soll nicht attraktiv erscheinen, sie soll attraktiv sein. Volker Remy schreibt, es ginge um das Vorhandene und nicht um das Gewollte. Um Identität statt Image. Doch Beziehungen bestehen nicht nur aus Vorhandenem, sondern immer auch aus Möglichem. Sie bestehen aus dem, was ist, und aus dem, was sein kann. Denn es ››ist‹‹ nicht nur das Haus, der Fluss, die Straße. Sondern vor allem auch der Gestaltungswille der Menschen in einer Region. Und es ››ist‹‹ nicht nur das Potenzial derer, die per Blut- und Bodenbeweis ansässige Einheimische sind. Sondern auch jenes von Menschen, die nur temporär Zeit an einem Ort verbringen. Der Ort wird gestaltet von den Menschen, die ihn beleben.

Ein Großteil dieses Austausches findet im öffentlichen Raum statt. Ein Raum, der im Idealfall mehrfach offen ist. Nicht begrenzt auf einzelne Nutzer und nicht begrenzt in möglichen Nutzungen. Öffentliche Plätze müssen daher im wahrsten Sinne des Wortes Raum lassen. Raum für spontane Situationen, für öffentliches Leben.

Die Stadt soll nicht attraktiv erscheinen,
sie soll attraktiv sein.
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In der Soziologie wird diese Teilöffentlichkeit als ››third place‹‹ bezeichnet. Als Raum, in dem der Mensch sich neben den ersten beiden Orten, dem Zuhause und dem Arbeitsplatz, wohl und heimisch fühlt. Nun ist Realität bekanntlich das, was passiert, während man andere Pläne macht. Ist ein Möglichkeitsraum daher überhaupt planbar? Sicherlich nicht im determinierenden Sinne. Atmosphärische Stadtraumgestaltung kann jedoch Angebote schaffen, beobachten, ausprobieren, was passieren will, und diese Nutzung verstärken.

In Feldkirch hat atmosphärische Stadtraumgestaltung eine lange Tradition. Veranstalter wie die poolbar verändern jedes Jahr aufs Neue die Wahrnehmung des Reichenfelds, Akteure wie die Villa Müller eröffnen Möglichkeitsräume in einer 800qm großen leerstehenden Villa. Das Stadtmarketing Feldkirch (firmiert unter „Stadtkultur Feldkirch“) vernetzt seit rund 10 Jahren in unterschiedlichsten Projekten und Prozessen genau jene Akteure, denen die alternative Wahrnehmung des Stadtraums ein Anliegen ist. So entstanden Projekte wie das Feldhotel, das Teehaus, aber auch Formate wie der „Adventspaziergang“ im Rahmen der Montforter Zwischentöne oder das Stadt/Studio gemeinsam mit der Universität Liechtenstein.

Der Ort wird gestaltet von den Menschen,
die ihn beleben.
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Erstmalig wurden nun die Projekte und Prozesse der Stadtkultur Feldkirch in einer Publikation zusammengeführt, um aus den Erfahrungen und dem Vergleich zu lernen. Zu lernen, wie das Gebaute und Gelebte zusammenwirken. Der gebaute Raum strukturiert das soziale Leben und die Nutzung lässt erahnen, welche Infrastruktur benötigt wird. Darüber hinaus beschäftigt sich das Buch mit dem Verhältnis Feldkirchs als Stadt in der LandStadt. Das Buch versteht sich nicht als wissenschaftlicher Beitrag zur Debatte, sondern als atmosphärisches Coffee-Table-Book, das Lust macht, den eigenen Stadtraum zu gestalten und sich mit jenen zu vernetzen, die sich mit sowas auskennen.

Und in Zeiten von Kontaktverboten und Vier-Personen-Treffen, die als Veranstaltung gestraft werden sollen hat „Die Stadt als Anlass“ auch einen kleinen Frederick-Effekt. Der kleinen Maus von Leo Lionni, die im Sommer Farben, Sonnenstrahlen und Wörter für die kalten Wintermonate sammelt. Mögen die Projekte der Vergangenheit helfen durch jene Tage zu kommen in denen öffentlicher Ort und das Gegenüber eher als Gefahr denn als Einladung zum „Wir“ verstanden wird.

„Die Stadt als Anlass“ ist in der edition-V erschienen und im Buchhandel erhältlich. Obiger Text ist ein teilweiser Auszug des ersten Kapitels von „Stadt als Anlass“

 

Text: Edgar Eller